Welche Filme kommen Euch in den Sinn, wenn ihr an Western denkt? Sicherlich einige Klassiker wie »Höllenfahrt nach Santa Fé« (»Stagecoach«) oder andere Filme von John Ford mit John Wayne in der Hauptrolle. Mancher mag an die Italo-Western von Sergio Leone denken, an Filme von Sam Peckinpah oder Quentin Tarantinos Ausflüge in das uramerikanische Genre. Aber heute wollen wir mal ganz zurück zum Anfang gehen zu »Der große Eisenbahnraub« (»The Great Train Robbery«), der heute vor 120 Jahren seine Uraufführung erlebte.
Der 11 Minuten lange Kurzfilm markiert einen der ersten Meilensteine des noch jungen Mediums. Die Geschichte des Kinos beginnt im Jahre 1895 mit einer Filmvorführung der Gebrüder Lumière vor zahlendem Publikum. Auch wenn es vorher schon filmische Experimente gab, ist die Aufführung der Lumières das Datum, auf das sich die Filmgeschichtsschreibung geeinigt hat.
Am Anfang war das Medium selbst die Sensation und es war herzlich egal, was in den Filmen zu sehen war. Egal ob Arbeiter die Fabrik verlassen oder ein Zug in den Bahnhof einfährt - Hauptsache, man sieht bewegte Bilder. Aber es gab auch schon früh erste kleine Geschichten, wie in den Filmen von Georges Méliès oder Alice Guy-Blaché. Die meisten Filme waren nicht länger als ein oder zwei Minuten, alles war in der Totalen gefilmt und ereignete sich in einer einzigen Einstellung. Oft sah das aus wie abgefilmtes Theater.
Nur wenige Jahre später setzte Edwin S. Porter mit »The Great Train Robbery« neue Maßstäbe. Der Film war mit seinen 11 Minuten bereits erstaunlich lang. Im Gegensatz zu den theatralischen Filmen von Méliès war er on Location gedreht und wirkte für die damalige Zeit erstaunlich naturalistisch. Er kombiniert eine Reihe von, wie damals üblich, in der Totalen gefilmten Szenen zu einer Geschichte, verwendet aber zweimal bereits einen Schwenk als erzählerisches Mittel, baut einen unsichtbaren Stopptrick und eine Comic Relief Szene ein und ist einer der ersten Filme, der zwei zeitgleich stattfindende Ereignisse in einer Parallelmontage miteinander verbindet. Und dann ist da die berühmt gewordene Nahaufnahme am Ende des Films, in der ein Bandit die vierte Wand durchbricht und direkt auf die Kamera bzw. die Zuschauer schießt. Vieles was Porter machte, gab es auch vorher schon, aber er war es, der all diese Elemente zusammenbrachte und den erfolgreichsten Film des Jahres und die Keimzelle des Western erschaffte.
Nach 120 Jahren ist der Film natürlich längst Public Domain und Ihr könnt ihn Euch auf YouTube anschauen:
https://youtu.be/y3jrB5ANUUYDie leicht grotesken Sterbeszenen mögen uns heute amüsieren, doch »The Great Train Robbery« führte bereits Stilmittel ein, die das Kino bis heute verwendet und wir finden es ungemein spannend einmal auf den Anfang des Western-Genres und die Entwicklung der Filmsprache zurückzuschauen.